Mit der Ankündigung von US-Präsident Trump, ab Freitag Strafzölle von 25% statt bisher 10% auf chinesische Importe im Wert von rund 200 Milliarden (Mrd.) US-Dollar (USD) erheben zu wollen, spitzt sich der seit nunmehr einem Jahr schwelende Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China zu. Durchschnittliche Importzölle der Amerikaner lägen damit oberhalb der 6%-Grenze, was sich noch deutlich negativer als bisher auf den Welthandel und das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) auswirken würde: Ein solcher Schritt würde nach Einschätzungen des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes in den kommenden zwei Jahren das Wachstum des weltweiten Bruttoninlandsprodukt um 0,5 Prozentpunkte (pp) kappen. Beim Welthandel wären es im gleichen Zeitraum sogar 2pp.

„Wir haben dann einen waschechten Handelskonflikt mit Potenzial zum Handelskrieg“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe und stellvertretender Chefvolkswirt der Allianz. „Es ist aber auch noch Luft nach unten. Ginge die US-Regierung so weit, zusätzliche Zölle auf importierte chinesische Waren im Wert von 325 Mrd. USD und auf Automobilimporte im Wert von rund 200 Mrd. USD belegen, wäre das definitiv der Startschuss für einen regelrechten Handelskrieg. Durchschnittlich 12% Zölle würden die USA dann auf importierte Güter erheben. Das weltweite BIP würde dann um satte 2pp rasiert, der Welthandel würde sogar schrumpfen.“.

„Unsicherheits-Abschlag“: Zölle sind bisher nicht einmal das größte Problem

Schon 2018 hat der Konflikt zu erheblichen Einbußen geführt. Das Wachstum des Welthandels ist 2018 von 5,2% auf +3,8% geschrumpft. Für das erste Halbjahr 2019 sind die Erwartungen ebenfalls gedämpft. Erst im zweiten Halbjahr ist eine leichte Erholung in Sicht – aber nur dann, wenn die USA und China ihren Konflikt bis zum Sommer beilegen und eine Einigung finden. Erschwerend kommt hinzu, dass Welthandel und Weltwirtschaft mit einem erheblichen „Unsicherheits-Abschlag“ zu kämpfen haben.

„Die Zölle sind bisher nicht das größte Problem“, sagt Subran. „Die Unsicherheit durch den schwelenden Konflikt hat die Wirtschaft bisher tatsächlich stärker belastet als die bereits eingeführten Zölle. Das ist ähnlich wie beim Brexit – auch da ist die Unsicherheit und mangelnde Planbarkeit der größte Faktor in der Krise, ganz egal, wie am Ende das Ergebnis aussieht.“

Die Euler Hermes Volkswirte gehen davon aus, dass die Zölle den Welthandel 2018 rund 0,3 Prozentpunkte (pp) an Wachstum gekostet haben – die Unsicherheit jedoch mit 0,5pp wesentlich mehr. Entspannung zeichnet sich aktuell nicht ab, auch wenn die Experten weiterhin von einer Einigung ausgehen. Euler Hermes rechnet selbst bei einer Einigung mit einem weiteren deutlichen Abflauen des Wachstums beim Welthandel auf 3,0% im Jahr 2019 und 2,7% für 2020.

Wachstum: Wie ein Countdown zählt die Uhr bei jedem weiteren Monat Unsicherheit herunter

„Es ist wie eine Art Countdown“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die Uhr zählt allerdings nicht die Zeit herunter bis zu einem großen Event, sondern das Wachstum bei Welthandel und Weltwirtschaft. Man kann es regelrecht schwinden sehen: Jede weiteren zwei Monate der Unsicherheit im Handelskonflikt kosten den Welthandel etwa 0,1pp an Wachstum. Bei der Weltwirtschaft sind es etwa 0,1pp alle vier Monate. Exportnationen wie Deutschland sind von dieser Entwicklung besonders stark betroffen, denn ihre Exportrisiken steigen erheblich: Weniger Wachstum bei gleichzeitig steigenden Kreditrisiken und Insolvenzen sind ein ungünstiger Risiko-Cocktail.“

Die mangelnde Planbarkeit ist der Haupttreiber hinter den Einbußen – und diese äußert sich über drei verschiedene Kanäle: Investitionen der Unternehmen werden auf Eis gelegt, der Konsum schwächt sich ab da Anschaffungen verschoben werden. Hinzu kommen hohe Lagerbestände und sinkende Preise.

Teufelskreis: Steigende Lagerbestände, sinkende Produktion und Kampfpreise

„Wenn sich das Wachstum abschwächt und Handelsbarrieren in den größten Volkwirtschaften zunehmen, trifft es die Schwächsten zuerst“, sagt Van het Hof. „Weniger wettbewerbsfähige Unternehmen haben dann Probleme, ihre Waren an den Mann zu bekommen. Dann fängt ein Teufelskreis an: steigende Lagerbestände, eine verlangsamte Produktion und sinkende Preise. Am Ende heißt es für manches Unternehmen Endstation Insolvenz. Das wiederum geht auch an anderen Firmen nicht spurlos vorbei, auch wenn sie größere Puffer haben. Es zeigt sich einmal mehr, dass es bei Protektionismus und andauernden Handelskonflikten nur Verlierer gibt.“

Der Schwebezustand könnte sich noch länger hinziehen – Einigung kein Selbstläufer

Der aktuelle Schwebezustand könnte sich nach den jüngsten Ereignissen jedoch durchaus verlängern.

„Eine Einigung ist kein Selbstläufer, auch wenn wir letztlich weiterhin davon ausgehen“, sagt Subran. „Die Verhandlungen sind ebenso verfahren und kompliziert wie die unterschiedlichen Positionen der Protagonisten. Unter Druck stehen beide – vor allem in ihren Heimatländern. Beide Nationen sind zudem darauf erpicht, ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss auszuweiten. Es ist also unrealistisch zu glauben, dass China Zugeständnisse ohne Gegenleistung machen wird.“

Noch läuft die Wirtschaft in den USA, aber für 2020 kündigt sich eine deutliche Abkühlung an. Keine guten Nachrichten für Präsident Trump, denn 2020 stehen in den Vereinigten Staaten Präsidentschaftswahlen ins Haus. Schlechte Nachrichten sind dann doppelt unerwünscht. Trump braucht Erfolge – oder einen Sündenbock.

Ganz ähnlich die Situation in China: Dort läuft aktuell nicht alles rund. Das Wirtschaftswachstum kennt auch im Reich der Mitte inzwischen durchaus Grenzen. Zwar läuft der zwischenzeitlich etwas stotternde Wirtschaftsmotor wieder, allerdings vor allem angekurbelt durch ein umfangreiches staatliches Programm. Im Oktober will die Kommunistische Regierungspartei den 70. Jahrestag ihrer Führung feiern. Dafür kann auch Präsident Xi Jinping keine schlechten Nachrichten gebrauchen.

(ots)

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