Was lange währt, wird noch lange nicht endlich gut. Das findet zumindest Bernd Wenske, wenn er sich das frisch beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz ansieht, das Anfang 2020 in Kraft treten soll. Der Mann aus der Nordheide hat sich den Titel Expert Hunter verdient, weil er sich seit Jahren mit der Einwanderung von Fachkräften beschäftigt und vor allem viel Erfahrung am lebenden Subjekt selbst sammeln konnte. „Seit Jahrzehnten wurde über gesetzliche Regelungen zur Migration nur diskutiert. Jetzt, wo endlich Bewegung in das Thema kommt, wird gleichzeitig wieder die Handbremse angezogen“, empört sich Wenske.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz – viel Wort, wenig Sinn?

Das Gesetz dreht sich im Wesentlichen um drei inhaltliche Punkte. Einer davon: Bisher durften nur hochqualifizierte Fachkräfte, in der Regel Akademiker, und solche, die in Branchen mit sehr hohem Fachkräftemangel Lücken schließen, aus Nicht-EU-Staaten einwandern. Mit Inkrafttreten des Gesetzes dürfen alle Menschen aus Nicht-EU-Staaten einwandern, sofern sie eine anerkannte Berufsausbildung haben und ihnen ein Jobangebot aus Deutschland vorliegt. „Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was eine ‚anerkannte Berufsausbildung‘ hier bedeutet. Da kommen beispielsweise Handwerker, die genauso viel können wie unsere, aber in deren Heimat gibt es dafür eben keine Urkunde.“ Die Anerkennung soll zwar leichter und vor allem schneller vonstatten gehen, ob die Kriterien zur Realität passen, bleibt fraglich.

Der zweite Hauptpunkt umfasst den Wegfall der Vorrangprüfung. Nach der durfte eine Fachkraft aus einem Nicht-EU-Staat erst einwandern, wenn sich die freie Stelle auch wirklich nicht mit einem deutschen oder anderem EU-Bürger besetzen ließ. Jetzt gilt – um im Sprichwortmodus zu bleiben: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Sofern der Mensch denn ziemlich gut Deutsch spricht, denn das ist der dritte Kernpunkt: die Voraussetzung von Sprachkenntnissen auf B1 Niveau, zertifiziert natürlich. „Für eine gelungene Integration ist das Beherrschen der Sprache unverzichtbar, ganz klar. Aber wir haben hier in den meisten Fällen viel bessere Möglichkeiten, Menschen unsere Sprache beizubringen, als sie es in ihren Heimatländern haben. Wo wird Deutsch denn schon gesprochen, geschweige denn gelehrt?“ fragt sich der Speaker, der auch wegen seiner scharfzüngigen Vorträge gefragt ist.

Eine schwache Konjunktur schwächt den sozialen Frieden

Bewerber über 45 Jahre müssen außerdem über ein gesichertes Einkommen bzw. eine Altersvorsorge verfügen, damit sie das hiesige Sozialsystem am Ende nicht mehr kosten als sie ihm einbringen. Es geht eben vorrangig um die Nutzbarkeit der Arbeitskraft über einen möglichst langen Zeitraum, was Bernd Wenske ziemlich ärgert. „Wir verlieren zwei Dinge aus den Augen: Jeder Zuwanderer ist auch ein Mensch. Und: Wir können uns keine Arroganz mehr leisten, Deutschland ist nahezu in einer Bittsteller-Position.“ 60 Prozent der deutschen Unternehmen geben bereits an, dass der Fachkräftemangel das Wachstum ihrer Firmen bremsen wird. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung braucht Deutschland bis zum Jahr 2060 jährlich 260 000 Zuwanderer, um einen Einbruch der Wirtschaft zu verhindern. Die Bundesregierung rechnet nach der Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes mit 25 000 pro Jahr, das ist noch nicht einmal ein Zehntel davon. „Finde den Fehler!“ mahnt Wenske. Dass mit einem wirtschaftlichen Abfall auch Sozialstaat und sozialer Frieden gefährdet werden können, ist eine bekannte Kausalkette.

„Ohne die gesteuerte Migration hochqualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten wird ein Unternehmen nach dem anderen die Tore schließen müssen.“ Denn die EU-Länder haben selbst ein mehr oder weniger ähnlich großes Problem mit der demographischen Entwicklung wie Deutschland. Heißt: Dort wandern weniger Menschen ab, die Länder sind dazu Konkurrenten im War for Talents. Bernd Wenske kämpft darum auf eigene Faust. Er bringt internationale Top-Experten mit Unternehmen zusammen und schafft so einen Mehrwert für beide Seiten. Mit seinem Programm „Solution-Day“ erarbeitet der Expert Hunter in einzelnen Unternehmen außerdem praxisnahe Strategien zur Fachkräftegewinnung. „Wenn die Politik sich nur in Tippelschritten bewegt, müssen die Unternehmen ihre eigenen Chancen im War for Talents nutzen und herausfinden, wie diese am besten in den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen effektiv gestaltet werden können.“ Es gibt da noch ein passendes Sprichwort: Wer zu spät kommt, den bestraft die Rezession. Oder so ähnlich.

Artikel von Bernd Wenske, Speaker & Expert Hunter, call@berndwenske.com, www.berndwenske.com

(ots)

Bildquellen

  • ‚War for Talents‘: obs/Bernd Wenske - Speaker & Expert Hunter