Deutschlands Apotheker schauen immer pessimistischer in die Zukunft. Acht von zehn Inhabern (79,8 Prozent) gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren negativ sein wird. Vor drei Jahren lag dieser Wert noch bei 50,8 Prozent. Das drängendste Thema sieht der Berufsstand in der Schaffung von mehr Planungssicherheit durch stabile rechtliche Rahmenbedingungen. 90,0 Prozent der Inhaber konstatieren hier prioritären Handlungsbedarf.
Als eines der größten Ärgernisse im Berufsalltag bezeichnen 91,2 Prozent der selbständigen Apotheker mittlerweile die Lieferengpässe bei Medikamenten; im Jahr 2016 hatten sich nur 35,5 Prozent der Inhaber darüber geärgert. Erstmals lässt sich nun auch der damit verbundene zeitliche Aufwand quantifizieren: Sechs von zehn Apothekern (62,2 Prozent) geben an, dass sie und ihre Beschäftigten mehr als 10 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, um bei Lieferengpässen gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten nach Versorgungslösungen zu suchen. Das sind Ergebnisse des Apothekenklima-Index‘ 2019, einer repräsentativen Meinungsumfrage von MARPINION im Auftrag der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Der Index, für den seit 2016 jeden Sommer 500 Apothekeninhaber in Deutschland befragt werden, wurde heute zum Auftakt des Deutschen Apothekertages in Düsseldorf vorgestellt.
„Die Stimmung in den Apotheken wird immer schlechter“, sagte ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold: „Wenn vier von fünf Apothekeninhabern für die nächsten Jahre ’schwarz sehen‘, erodiert das Fundament für eine hochwertige und wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Menschen in Deutschland.“ Arnold sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf für die Bundespolitik: „Apotheker sind freie Heilberufler, die vernünftige Rahmenbedingungen brauchen. Dazu gehören ordnungspolitische Stabilität, wirtschaftliche Verbesserungen und eine fachliche Perspektive. Darauf warten wir seit mindestens drei Jahren. Mit dem derzeit diskutierten Apothekenreformpaket gibt es immerhin die Chance, ein Stück weiterzukommen und die Situation zu verbessern.“ ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz wies auf die schwierige Gemengelage in der Reformdiskussion hin: „Morgen beginnt der Deutsche Apothekertag, und wir haben zwei abweichende Vorschläge der Politik auf dem Tisch, einen der Bundesregierung und einen des Bundesrates. Was wir nicht gebrauchen können, ist, dass sich die politischen Akteure gegenseitig weiter blockieren. Das wird die Diskussion in den nächsten Tagen maßgeblich mitbestimmen.“
ABDA-Vizepräsident Arnold sieht nun die Gesundheitspolitik am Zuge: „Jetzt kommt es darauf an, dass das Reformpaket zügig in den Bundestag eingebracht, an entscheidenden Stellen nachgesteuert und dann baldmöglichst verabschiedet wird.“ Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Oktober 2016, das ausländische Versandapotheken aus der Festpreisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel entlassen hatte, müsse der Gesetzgeber vor allem die Gleichpreisigkeit bei rezeptpflichtigen Medikamenten endlich wiederherstellen, so Arnold.
Arnold verwies außerdem auf die zusätzlichen Belastungen der Apotheken durch die sich zuspitzenden Arzneimittel-Engpässe: „Die im Apothekenklima-Index erfragten Bewertungen zum Zeitaufwand bei Lieferengpässen lassen sich jetzt auch mit Verordnungszahlen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts empirisch untermauern.“ Demnach hat sich die Anzahl der Rabattarzneimittel, die aufgrund eines Lieferengpasses ausgetauscht werden mussten, bei gesetzlich krankenversicherten Patienten von 5,0 Millionen Packungen im Jahr 2016 auf 9,3 Millionen Stück im Jahr 2018 fast verdoppelt. Betroffen ist jedes 50. Rabattarzneimittel (9,3 von 450 Millionen Packungen im Jahr 2018). Im Jahr 2018 haben die Top-10-Wirkstoffe mit 4,7 Millionen Arzneimitteln fast die Hälfte der 9,3 Millionen Lieferengpässe ausgemacht. Hochdosiertes, rezeptpflichtiges Ibuprofen (Schmerzmittel) belegt mit 1,6 Millionen Packungen den ersten Platz auf der Liste. Mit fünf Wirkstoffen unter den Top 10 sind die Blutdrucksenker Valsartan, Ramipril und Bisoprolol sowie deren Kombinationen mit Diuretika (harntreibende Mittel) ebenfalls weit oben.
Die Pressekonferenz zum Apothekenklima-Index läutet den Deutschen Apothekertag ein, der in diesem Jahr vom 25. bis 27. September 2019 im CCD Congress Center Düsseldorf stattfindet. Mehr als 300 Delegierte aus jeweils 17 Apothekerkammern und -verbänden diskutieren und beschließen in der Hauptversammlung die zukünftigen Positionen ihres Berufsstandes. Die Pressestelle des Deutschen Apothekertages befindet sich im 1. OG, CCD / Messe, Eingang Süd, Stockumer Kirchstr. 64, 40474 Düsseldorf.
(ots)
Bildquellen
- Apothekenklima-Index 2019: Trübe Branchenaussichten: obs/ABDA/Jardai