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Mit der Veränderung unserer Gesellschaft, durch die zunehmende Digitalisierung und die Ausbreitung der Pandemie, kommt es zu einer Veränderung der Arzt-Patienten-Beziehung. Dies hat enorme Auswirkung auf das Selbstverständnis praktizierender Ärzte, aber natürlich auch auf das Selbstverständnis der Patienten. Damit einhergehend gibt es eine Verschiebung im Wertesystem des Gesundheitssektors.

Der Nimbus der Unfehlbarkeit bröckelt

Moderne Ärzte müssen ihre Stellung im Gesundheitssystem maßgeblich überdenken. Dies ist unweigerlich, weil die Rolle des Internets als Informationsplattform die Rolle der Patienten geändert hat. Es gibt eine Vielzahl qualitätsvoller Inhalte und Forschungsergebnisse im Internet zu finden, die vor gar nicht allzu langer Zeit ausschließlich für Ärzte zur Verfügung standen. Natürlich gibt es auch eine Vielzahl an falschen Informationen, was einen negativen Einfluss auf die Wissensgrundlage hat.

Dieses Informationsangebot führt dazu, dass der moderne Patient von heute tendenziell informierter, mündiger und ein Stück weit selbstsicherer ist. Er fordert vermehrt alternative Vorgehensweisen und scheut auch nicht das Einholen von Zweitmeinungen. Der Arzt wird mehr und mehr als Mensch gesehen, der Fehler macht und dessen Diagnosen nicht unfehlbar sind.

Patienten und Ärzte formen ein Team

Diese Veränderung des Selbstverständnisses auf beiden Seiten sorgt dafür, dass die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten neu überdacht werden muss. Ärzte müssen sich verstärkt als Coach sehen, der den Coachingklienten dabei unterstützt, gesund zu bleiben. Auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ändert sich dadurch. Es geschieht viel mehr auf Augenhöhe, denn von oben herab.

Doch auch der Patient muss sich klar sein, dass Wissen auch Verantwortung mit sich bringt. Er muss sich als gleichberechtigten Partner in diesem Gespann sehen, der alles dazu beiträgt, um die eigene Gesundheit zu fördern. Ausreden zählen immer weniger und die Schuld bei eventueller Nichterreichung kann nicht mehr ausschließlich dem praktizierenden Arzt zugeschrieben werden.

Voraussetzungen schaffen, um Wandel zu gestalten

Nun gilt es, diesen Prozess nicht zu behindern, da er sowieso nicht aufhaltbar ist. Es gilt ihn bewusst zu fördern. Patienten müssen mit qualitätsvollen Inhalten versorgt und damit medizinisch gebildet werden. Dies hilft ihnen dabei, Falschmeldungen von fachlich hochwertigem Wissen zu unterscheiden.

Gleichzeitig müssen Ärzte sich als Unternehmer und als Coach begreifen. Im Studium werden sie allerdings nicht darauf vorbereitet. Wer eine Praxis leitet, muss sich plötzlich mit betriebswirtschaftlichem Wissen auseinandersetzen und lernen, ein Team zu führen. Gleichzeitig benötigt er, aufgrund der Veränderung der Rollen zwischen Patienten und Arzt, eine neue Kommunikationsstrategie, die er ebenfalls nicht im Studium lernt. Zu guter Letzt sorgt die Veränderung des Gesundheitsmarktes dazu, dass der Arzt sich als Marke begreifen und sich auf eben diesem auch positionieren muss.

Telemedizinische Anbieter sind keine Bedrohung – im Gegenteil

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie werden telemedizinische Angebote wie die Videosprechstunde bei Patienten immer beliebter. Es ist natürlich verlockend, von zu Hause aus und über das eigene Smartphone, mit dem Arzt des Vertrauens zu kommunizieren. 70% aller medizinischen Gespräche können in dieser Form durchgeführt werden. Allerdings bleiben noch immer 30%, die unbedingt in der Praxis vor Ort durchgeführt werden müssen.

Digitale Angebote dürfen daher keinesfalls den Arzt vor Ort ersetzen, sondern müssen ihn dabei unterstützen, diese neuen Kommunikationswege für sich zu nutzen. Sie sind nämlich elegante und bequeme Wege, wie dieses neue Rollenverständnis von Arzt und Patient effektiv umgesetzt werden können. Ärzte, die dieses Potenzial für sich erkennen, können maßgeblich davon profitieren.

Medizin und Philosophie

Auch das Werteschema innerhalb des Gesundheitssystems ändert sich maßgeblich. Es müssen gesundheitliche Diskurse darüber stattfinden, in welche Richtung sich die Gesellschaft gesundheitlich entwickeln soll. Was bedeutet es eigentlich, im modernen Kontext, gesund zu sein? Wie kann dieser Zustand erreicht und möglichst lange

aufrechterhalten werden? Welche Werkzeuge, welche Form der Kommunikation und welche Form der Kooperation sind dafür nötig? Welches Wissen muss Ärzten und Patienten an die Hand gegeben werden, um die gesteckten Ziele auch zu erreichen?

Der Trend im Gesundheitssystem geht mehr und mehr in Richtung Prävention, damit Therapie- und Heilungsprozesse erst gar nicht umgesetzt werden müssen. Gleichzeitig wird von den Patienten aktiv eine ganzheitliche Herangehensweise an das Phänomen Gesundheit gefordert. Dies kann eine Person allein natürlich nicht abbilden, weshalb es immer häufiger zu medizinischen Netzwerken oder Vereinigungen kommen wird, die diesem holistischen Modell von Gesundheit Rechnung tragen.

Anspruch und Wirklichkeit

Die eben skizzierte Situation ist natürlich der Idealfall. Die Gesundheits- und Medizinbranche befindet sich derzeit mitten im Wandel auf ganz vielen Ebenen. Ärzte und auch Patienten müssen diese Rollen aktiv definieren und sie auch bewusst annehmen. Wenn die Kooperation zwischen Arzt und Patient funktionieren soll, muss jeder der Parteien wissen, welches die eigenen Pflichten und Aufgaben sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass eine nachhaltige Gesundheitsförderung und -aufrechterhaltung auf allen Ebenen des Seins auch Realität wird.

Autoreninfo: Oliver Neumann ist seit 20 Jahren Unternehmer und seit 18 Jahren in der Beratung von Ärzten und Medizinern tätig.

Seine Mission ist die Sicherstellung der Patientenversorgung und die Ausrichtung auf mehr unternehmerische Skills in der ambulanten Versorgung. Digital Health und der Einsatz von digitalen Tools in der Gesundheitslandschaft spielen auch dabei eine entscheidende Rolle.

Er ist Geschäftsführer der Telemedizinplattform CyberDoc GmbH und Gründer des Projektes Businessdoc – Arzt als Unternehmer.

 

Bildquellen

  • Oliver Neumann: Oliver Neumann
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