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So steil wie die Covid-Infektionen im vergangenen Jahr in die Höhe gingen, so stark schrumpften die Ausgaben der deutschen Unternehmen für Dienstreisen. Nach Angaben des „Handelsblatts“ und des Verbands Deutsches Reisemanagement haben die hiesigen Firmen 2020 insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro weniger für Dienstreisen ausgegeben als im Jahr davor, ein Rückgang von rund 90 Prozent. Natürlich wird mit dem Ende der Pandemie die Reisetätigkeit wieder zunehmen, um Kontakte zu pflegen und Aufträge persönlich zu verhandeln und abzuschließen. „Persönliche Treffen gehen mit höherer Kreativität und Teamleistung einher“, schreibt das „Handelsblatt“ zu recht. „Per Videokonferenz lassen sich auch Konflikte nur unzureichend lösen.“

Es wäre jedoch eine Illusion zu glauben, dass alles wieder so werden wird wie zuvor. Denn die Unternehmen werden zumindest einen Teil der Ersparnis aus der Einschränkung von Dienstreisen beibehalten wollen. Nach Schätzung von Experten dürften in Zukunft deshalb bis zu zwei Drittel aller Verhandlungen von Unternehmen rein virtuell verlaufen. Covid hat diesen Prozess lediglich beschleunigt. Damit wächst aber das Risiko von Missverständnissen und schlechten Verhandlungsergebnissen.

Die Schwierigkeit, bei räumlicher und sozialer Distanz Vertrauen aufzubauen

Natürlich wurde bei Verhandlungen auch in der Vergangenheit schon virtuell kommuniziert per Email, Messenger-Dienste, Telefon und auch per Videokonferenz. Doch spielte der zugleich vorhandene direkte persönliche Kontakt eine ganz entscheidende Rolle, denn nur darüber ließ sich Vertrauen zwischen den Verhandlungspartnern aufbauen. Nun gilt es, Vertrauen aufzubauen per Videokonferenz, der Kommunikationsform, die der unmittelbaren persönlichen Begegnung noch am nächsten ist. Aber bei räumlicher und sozialer Distanz steigt in den Verhandlungen die Gefahr von Missverständnissen, was sie erschweren und verzögern kann bis hin zur Blockade. Die Hauptaufgabe besteht also nun darin, das Medium Videokonferenz mit seinen Problemen und Vorteilen richtig einzusetzen. Dabei ändern sich die wesentlichen Prinzipien der Verhandlung nicht, sie müssen jedoch an die virtuelle Umgebung angepasst werden. Wer verhandelt, sollte diese vier Determinanten im Auge behalten:

1. Die richtige Vorbereitung bestimmt den Erfolg

Unsere Erfahrung besagt, dass der Verhandlungserfolg zu 80 Prozent durch die richtige Vorbereitung bestimmt ist. Professionelle Verhandler bereiten sich deshalb akribisch auf alle möglichen Situationen vor, in denen die Kommunikation essentiell ist für den Erfolg der Verhandlung. Das erfordert, die technischen Gegebenheiten der neuen Kommunikationskanäle Zoom, Teams, Webex, Google Hangouts etc. in der Praxis zu beherrschen, bevor man sie in einer Verhandlung nutzt. Wie teilt man Präsentationen, wie erstellt man Breakout Rooms, wie ändert man den Hintergrund, was macht man, wenn die Mikrofone oder Kameras nicht funktionieren? Gerade in stressigen Gesprächen werfen einen technische Probleme schnell aus dem Konzept.

2. Das eigene Verhalten reflektieren und bewusst steuern

Schon in der Vorbereitung sollte man sich Gedanken machen, wie sich Vertrauen aufbauen lässt, auch wenn man sich nur gegenseitig auf dem Bildschirm sieht. Etwa mit ein wenig Smalltalk zu Beginn oder indem man im Homeoffice einen Blick auf sein privates Umfeld ermöglicht. Zum Beispiel die Tochter, die ins Büro kommt, vorstellen und sie nicht verärgert über die Störung einfach rausschicken. Oder über den Hund, der auf dem Boden liegt, reden, wenn man weiß, dass der Verhandler auf der anderen Seite auch einen Hund hat. Oder Bücher und Bilder im Hintergrund platzieren. Alles, was hilft, einen persönlichen Kontakt und dadurch Vertrauen zu schaffen, zahlt sich in der Verhandlung aus.

Wie man sein Auftreten für das erste Business Meeting geprobt hat, sollte man deshalb jetzt seine virtuellen Meetings proben. Aus psychologischen Experimenten wissen wir, dass die Bedeutung einer Botschaft zu einem Großteil nonverbal durch Mimik und Gestik sowie dem Klang der Stimme und nur zu einem geringen Teil durch die verwendeten Worte kommuniziert wird. Wie also ist das eigene Erscheinungsbild vor der Kamera? Ein Rollenspiel mit einem Kollegen, das aufgenommen wird, kann einen Eindruck vermitteln, wie man auf die andere Partei wirkt. Wie war die Körperhaltung? Die nonverbale Kommunikation? Der Tonfall? Es gilt Licht und Kamera richtig einzusetzen: Die Kamera sollte am besten auf Augenhöhe eingestellt sein, so das man nicht nach unten oder oben schauen muss. Das Licht sollte angenehm sein und nicht von hinten kommen, damit das Gesicht zu sehen ist. Wenn man einen höhenverstellbaren Schreibtisch hat, sollte man sich hinstellen und im Stehen sprechen. Das wirkt dynamischer und emotionaler.

3. Die Signale der Gegenseite richtig verstehen

Mehr noch als bei Verhandlungen von Angesicht zu Angesicht besteht jetzt die Herausforderung darin, die Motive und Emotionen der anderen Partei auch am Bildschirm zu erkennen. Das Spannende an Verhandlungen ist ja dieser psychologische Aspekt: zu verstehen, was die andere Seite vorhat. Um Missverständnisse oder Irritationen zu vermeiden, sollte man zu Verhandlungsbeginn ansprechen, dass man sich Notizen macht oder einen zweiten Bildschirm nutzt: „Verzeihen Sie, wenn ich dann nicht immer in die Kamera schaue. Ich bin jedoch ganz bei Ihnen.“ In virtuellen Verhandlungen fehlen uns viele Hinweise der Körpersprache und Atmosphäre, um Situationen richtig deuten zu können. Daher sollte man vorsichtig formulieren etwa in dem Sinn: „Für mich hört sich das an als ob…“ gefolgt von der Frage: „Habe ich das so richtig verstanden?“ Auch sollte man häufiger das Besprochene zusammenfassen und fragen, ob das auch dem Verständnis der anderen Seite entspricht.

4. Den Verhandlungsprozess und die Kommunikationskanäle proaktiv steuern

Geschulte Verhandler bereiten die komplette Verhandlung minutiös vor, auch die virtuelle Verhandlung. Sie entwickeln einen detaillierten Multi-Channel-Kommunikationsplan für alle Phasen der Verhandlung, um die ausgearbeitete Verhandlungsstrategie proaktiv zu steuern und umzusetzen. Verhandlungsführer müssen alle verfügbaren Kommunikationskanäle beherrschen. Denn als Verhandler muss man immer die Kontrolle über den Verhandlungsprozess haben. Dazu gehört auch das Medium.

Fazit: Kommunikation und Verhalten sind elementare Bestandteile der Verhandlungsführung, die durch virtuelles Verhandeln substantiell beeinflusst werden. Verhandler müssen also virtuelles Verhandeln lernen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Denn dies wird zur neuen Normalität der Verhandlungen gehören.

Autor: Philipp Michel ist Partner der Negotiation Advisory Group (NAG), einer in Europa führenden B2B-Verhandlungsberatung. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Berufs- und Verhandlungserfahrung, hat mit Toni Piëch in China eine Consulting-Firma gegründet und für Porsche Design Studio weltweit Lizenz- und Designverträge verhandelt. Sein Spezialgebiet Verhandlungen, Marketing und Kommunikation.

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