Welche Berührungspunkte gibt es?

Von außen betrachtet könnte man meinen, dass Psychologie und Online-Marketing bzw. Suchmaschinenoptimierung nur wenig miteinander verbindet. Insbesondere, wenn man bei letzterer eher auf den technischen Aspekt schaut und weniger im Sinn hat, dass es dabei immer auch um einen Menschen geht, der mit der Suchmaschine interagiert.

Doch je mehr man sich mit Online-Marketing und SEO beschäftigt, desto schneller kommt man zu dem Schluss, dass sich nicht alles um die Manipulation eines Suchalgorithmus dreht (ein unter Laien verbreiteter Irrglaube), sondern vielmehr eine Antwort auf die Frage, was genau der Nutzer mit seiner Suchanfrage zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen möchte. Kurzum: Welches Ergebnis muss dem Nutzer geboten werden, um die Suchabsicht zu bedienen?

Weitere wichtige Fragen sind: Welche Formate eignen sich dafür besonders gut und wie detailliert sollten die Informationen für den Nutzer aufbereitet werden?

Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen erweisen sich Erkenntnisse aus der Wissenschaft, vornehmlich der Psychologie, als sehr hilfreich.                                Denn zuallererst muss man die Bedürfnisse desjenigen Menschen, der seine Suchanfrage in die Suchmaschine eingibt, verstehen. Nur so kann es gelingen, den Nutzer gemäß der jeweiligen Suchintention abzuholen.

Hierbei helfen drei Prinzipien aus der Psychologie:

Dual Process Model

Das Prinzip der „Zwei Prozesse” ist im Online Marketing relativ weit verbreitet.               Die Bezeichnung „Dual Prozess” bezieht sich auf zwei verschiedene Arten der Reizverarbeitung, auf die wir im Folgenden näher eingehen werden.

Die erste Art, Reize zu verarbeiten ist schnell und unbewusst, wohingegen die zweite wesentlich aufmerksamer abläuft und mit einem höheren Energieaufwand bei der kognitiven Bewertung verbunden ist. Hier sind einige Beispiele für diese beiden Typen der Reizverarbeitung:

In der Recherchephase werden Fragen zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen gestellt und grundlegende Fragen recherchiert.

Wichtige Charakteristiken für eine unbewusste, aber trotzdem sehr wichtige erste Beurteilung der gefundenen Inhalte erscheinen dabei oberflächlicher Natur (Relevanz durch Titel, ansprechende Bilder und Webdesign).

Um diesen ersten Eindruck im Hinblick auf Relevanz in der ersten Recherchephase positiv zu beeinflussen, sollte man als Anbieter unbedingt darauf achten, die Inhalte passend zum gegenwärtig frühen Zeitpunkt der Customer Journey im bevorzugten Format (Stichwort: „Kenne deine Zielgruppe!”) anzubieten. So stellt man sicher, dass der Interessent genau das bekommt, was er sich jetzt am meisten wünscht, nämlich übersichtliche Informationen zu dem gesuchten Thema, die noch nicht zu viel Detailtiefe haben.

Was bedeuten diese beiden Arten der Reizverarbeitung nun für die Entwicklung einer guten Content-Strategie (wobei natürlich auch die Customer Journey berücksichtigt wird)?

Zum Beispiel könnten wichtige Produktinformationen in der ersten Recherchephase zunächst global und mit wenigen Details beschrieben werden, um dem Interessenten eine Vorstellung von den wichtigsten Produkteigenschaften zu geben und um die zentralen Fragen (W-Fragen) zu klären. Eine Möglichkeit wäre es beispielsweise in einem Erklärvideo oder in einer Produktbeschreibung die wichtigsten Produktinformationen kurz zu erläutern.

Würde man an dieser Stelle den Fehler machen, den Interessenten schon jetzt mit zu vielen, zu diesem Zeitpunkt noch irrelevanten Detailinformationen zu versorgen, würde er vermutlich schnell das Gefühl bekommen, dass es ihm „zu aufwändig” ist, sich mit dem Thema weiterzubeschäftigen. In der Tat, wäre der „Energieaufwand” für die Reizverarbeitung so groß, sodass der Interessent an dieser Stelle wahrscheinlich „abspringen” würde. In der Wahrnehmung des Nutzers könnte es in etwa mit den Worten beschrieben werden: „Irgendwie war mir das zu viel Info, unübersichtlich und ich habe nicht genau gesehen, worum es geht oder worauf ich klicken muss.”

Hat man jedoch alles richtig gemacht, dann findet der Interessent aus unserem Beispiel kurz vor dem Ende seiner Customer Journey (z. B. Vergleich der Produkte/Dienstleistungen verschiedener Anbieter) einen ausführlichen und mit vielen Details und guten Argumenten angereicherten Erfahrungsbericht eines Bestandskunden. Schließlich wird aus einem vom Produkt überzeugten Interessenten ein zahlender Kunde. Wäre der Erfahrungsbericht nicht spezifisch gewesen und hätte Bedenken des Nutzers aufgegriffen, die sich erst während der Recherchephasen ergeben haben, wäre ggf. keine Conversion (Abschluss eines Zielvorhabens, wie z. B. ein Kauf) zustande gekommen. An diesem Beispiel sehen wir, wie Detailtiefe an einer Stelle hinderlich, an anderer Stelle verkaufsfördernd sein kann.

Fazit: Wenn man die Veröffentlichung von Inhalten auf einer Website plant, muss man sich also im Vorfeld immer fragen, an welchem Punkt der Customer Journey sich der Nutzer gerade aufhält (Vgl. Search Intent, AIDA-Modell). In der Sichtungsphase möchte sich der Nutzer aus unserem Beispiel grundlegende Fragen klären, um das Produkt oder die Dienstleistung für sich als gut oder schlecht kategorisieren zu können. Diese Entscheidung ist implizit, d.h. sie wird unbewusst getroffen, wobei die Inhalte in ein erlerntes Schema eingeteilt werden („Schubladendenken”).

In dieser Phase findet man ebenfalls häufig mentale Abkürzungen (ungeprüfte Überzeugungen oder sogenannte Glaubenssätze) wie „Experten haben immer Recht“ oder „Trustsiegel stehen für Expertise”, die den Prozess der unbewussten Entscheidungsfindung positiv beeinflussen sollen.

Folgenden Aspekten kommt dabei eine tragende Rolle zu:

  • Identifiziere ich mich mit dem Anbieter?
  • Gibt es zwischen uns Gemeinsamkeiten?
  • Gehöre ich zur Zielgruppe?
  • Gibt es verbindende Elemente wie Werte oder Probleme, die ich mit dem Anbieter teile?

Können die Antworten auf diese Fragen schnell gefunden sind, ist eine Kategorisierung und Bewertung des Inhalts einfacher.

Ziel des Anbieters sollte daher sein, es seinen potenziellen Kunden so leicht wie möglich zu machen, diese Fragen schnell zu beantworten – möglichst so, dass der Aufnahmeprozess nicht durch etwaige Ablenkungen (wie zu detaillierte Texte oder zu viele Calls To Action) unterbrochen wird.

Persuasion Tactics

Bei mentalen Abkürzungen handelt es sich um „Denkfehler”, die man aus der Online-Marketing-Sicht dazu nutzen kann, möglichst viele Conversions zu generieren.

Auch hier liefert die Psychologie gleich mehrere Taktiken der Überzeugung, welche  sich auch im Online-Marketing als gut umsetzbar erwiesen haben.

Der Interessent soll mithilfe folgender Prinzipien von einer Conversion (Produkt oder einer Dienstleistung, Newsletter-Anmeldung, Download etc.) überzeugt werden:

  • Autorität („Unser Produkt wird von Ärzten empfohlen”)
  • soziale Bewährtheit („Fastfood ist ungesund”)
  • Knappheit („Angebot läuft in zwei Tagen aus”)
  • Reziprozität („Nachdem der Kunde einen Rabatt geschenkt bekommen hat, legt er noch weiteres Produkt in seinen Warenkorb”)
  • Commitment und Konsistenz („Loyalität einer bestimmten Marke gegenüber”)
  • Sympathie („Wir kaufen gerne Produkte, die zuvor von sympathischen Influencern empfohlen wurden”)

Oftmals liegt die beste Taktik in einer Kombination dieser Prinzipien (je nach Thema oder nach Produkt).

Eine perfekte Landingpage, die jedes dieser Prinzipien beinhaltet, könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen:

Der Anbieter hat sich im Bereich Qualitätsmanagement auf Beratungsdienstleistungen spezialisiert und vertreibt zudem eine spezielle Softwarelösung.

Auf der Landingpage wird der Leser darauf hingewiesen, dass der Anbieter nach „ISO 27001” zertifiziert ist (Trustsiegel) und sein Produkt auch von Qualitätsmanagern empfohlen wird (Autorität).

Es gibt außerdem die Möglichkeit, ein kostenloses Erstgespräch zu vereinbaren, wodurch ganz im Sinne des Prinzips der Reziprozität kostenloser Mehrwert für den Interessenten geschaffen wird. Der Hinweis, dass die Software nur noch wenige Tage zum Vorteilspreis verfügbar ist, vermittelt ein Gefühl von Knappheit und entspricht dem gleichnamigen Prinzip.

Wurde nun das Interesse des potenziellen Kunden geweckt, hat er möglicherweise auf den „Mehr erfahren”-Button geklickt. Im nächsten Schritt öffnet sich neben der Infobox ein weiteres Textfenster, mit der Aufforderung, einen kostenlosen Testaccount einzurichten, um die Software auszuprobieren (Konsistenz).

Schließlich erfährt der Leser, dass die Firma jährlich zum Weihnachtsfest Spenden für das Kinderhilfswerk sammelt, was den Anbieter für sie zum Sympathieträger werden lässt.

Die Tatsache, dass im Testimonial-Bereich der Landingpage ausschließlich positive Erfahrungen anderer Kunden präsentiert werden, lässt darauf schließen, dass neben der oben genannten Prinzipien auch das Prinzip der sozialen Bewährtheit zur Geltung kommt.

Cognitive Bias

Ein Nebeneffekt von mentalen Abkürzungen, der ebenfalls im Online-Marketing gerne genutzt wird, sind sogenannte Verzerrungen der Wahrnehmung (Cognitive Bias). Für das Online-Marketing sind insbesondere „Bestätigungsfehler” (Confirmation Bias) wichtig. Die Besonderheit dieser Art der Wahrnehmungsverzerrung besteht darin, dass Menschen dazu tendieren, nur solchen Informationen zu folgen, welche die eigenen Überzeugungen bestätigen. Wie alle Arten von mentalen Abkürzungen, haben auch Bestätigungsfehler den Vorteil, dass sie den Weg des Interessenten hin zu einer schnelleren und einfacheren Entscheidungsfindung ebnen.

Um diese Besonderheiten der Wahrnehmung gezielt einsetzen zu können, muss man zunächst einmal ein grundsätzliches Verständnis für die Überzeugungen des potenziellen Kunden entwickeln. Dazu lohnt es sich, eine oder auch mehrere  Personas, also fiktive Profile typischer Kunden, zu erstellen.                                                Mit ihrer Hilfe lassen sich übrigens auch Probleme und Wege, diese Probleme (mithilfe eines Produktes oder einer Dienstleistung) zu beheben, analysieren und – darauf basierend – ganze Online-Marketing-Strategien entwickeln.

Daneben gibt es noch ein weiteres psychologisches Phänomen der Wahrnehmung, der ebenfalls der Kategorie der Wahrnehmungsverzerrungen zuzuordnen ist: den Primacy-Recency-Effekt. Die Bezeichnung des Effekts bezieht auf die Tatsache, dass wir uns besser an Informationen erinnern, welche zuerst oder ganz am Ende (z.B. in einem Vortrag, Video oder Text) aufnehmen, als an Informationen, die zwischen diesen beiden Abschnitten eingehen.

In Werbetexten oder Blogbeiträgen werden daher besonders wichtige Informationen und Begriffe gleich im ersten Textabsatz erwähnt. Am Ende folgt oft eine Zusammenfassung oder ein Fazit, oft verbunden mit einem Call-to-Action.

Für eine gut aufgestellte Marketingstrategie ist es natürlich sinnvoll, möglichst viele dieser psychologischen Modelle und Prinzipien zu verwenden, da das oftmals vorhandene Potenzial nicht ganz ausgeschöpft wird. Insofern bieten die                                                               hier vorgestellten Erkenntnisse eine gute Grundlage, nicht nur auf das Suchverhalten von Nutzern noch besser einzugehen, sondern sie auch je nach Bedarf bestmöglich zu unterstützen.

Über den Autor:

Christian Eichhorn ist Gründer von SEO Monkey, einer SEO Agentur aus Köln. Er ist studierter Psychologe, SEO-Nerd und berät Unternehmen mit Expertise und Engagement darin, ihren Umsatz durch bessere Google-Platzierungen zu steigern. Dabei kommen neben Best Practices auch wissenschaftlich erwiesene Prinzipien der Psychologie zur Geltung. Sein thematischer Fokus liegt auf der Keyword-Planung, Content-Optimierung und der Erstellung ganzheitlicher SEO Strategien.

Quellen:

Chaiken, S., & Trope, Y. (2000). Dual-process theories in social psychology. Guilford Press.

Cialdini, R. (2001). Principles of persuasion. Arizona State University, eBrand Media Publication.

Gigerenzer, G. (1991). How to make cognitive illusions disappear: Beyond “heuristics and biases”. European review of social psychology, 2(1), 83-115.

Glenberg, A. M., Bradley, M. M., Kraus, T. A., & Renzaglia, G. J. (1983). Studies of the long-term recency effect: Support for a contextually guided retrieval hypothesis. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 9(2), 231.

Deese, J., & Kaufman, R. A. (1957). Serial effects in recall of unorganized and sequentially organized verbal material. Journal of experimental psychology, 54(3), 180

 

Bildquellen

  • Autor-Christian-Eichhorn: SEO Monkey
  • pexels-george-morina-4960323: Foto von George Morina von Pexels