PwC hat mehr als 40 der größten Banken in der DACH-Region befragt, wie weit sie ihr Kreditgeschäft industrialisiert haben / Ergebnis: Die Branche kommt gerade mal auf einen Durchschnittswert von 40 Prozent / Frappierend ist dabei die Diskrepanz zwischen den besten Banken und den schlechtesten / Das heißt: Gängige Verfahren wie die „digitale Antragsstrecke“ oder „Robotic Process Automation“ werden vielerorts noch gar nicht eingesetzt / PwC-Experte Rederer: „Im aktuellen Zinsumfeld sind Prozesskosten Wettbewerbsfaktor Nummer eins – und viele Banken verlieren den Anschluss.“

Viele hiesige Banken agieren in ihrem wichtigsten Geschäftsfeld, dem Kreditgeschäft, nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das geht aus einer Studie hervor, für die die Beratungsgesellschaft PwC mehr als 40 der 150 größten Banken aus der DACH-Region befragt hat, wie weit sie mit der Industrialisierung ihres Kreditgeschäfts vorangekommen sind. Dabei zeigt sich: Im Retail-Segment erreichten die Institute gerade mal einen durchschnittlichen Industrialisierungsgrad von 48 Prozent. Im Firmenkundenbereich waren es sogar nur 31 Prozent.

Große Unterschiede im Industrialisierungs-Grad

„Die Industrialisierung des Kreditgeschäfts ist heutzutage ein entscheidender Erfolgsfaktor für praktisch jede Bank. Das gilt umso mehr, als die Zinsen auf Jahre hinaus niedrig bleiben werden – die Margen also dauerhaft unter Druck stehen und die Kosten damit der entscheidende Faktor werden“, sagt Tomas Rederer, Partner „Digital Operations“ im Bereich Financial Services Consulting bei PwC. Vor diesem Hintergrund sei gerade die enorme Spreizung zwischen den Banken frappierend: „Im Privatkundengeschäft kam das beste untersuchte Institut auf einen Industrialisierungsgrad von 87 Prozent, was ganz hervorragend ist. Dagegen erreichten viele andere Banken gerade mal Werte zwischen 10 und 30 Prozent, bei einer waren es sogar nur 11 Prozent. Im Firmenkundengeschäft ist die Spreizung ähnlich.“, so Rederer. „Ob solche Institute dauerhaft am Markt bestehen können, muss ernsthaft befürchtet werden.“

Das Fokus-Thema für die nächsten zwei Jahre heißt „Automatisierung“

Konkret befragte PwC die Banken nach rund 80 Hebeln, anhand derer sich der Stand der Industrialisierung im Firmen- und Privatkundengeschäft quantifizieren lässt. Dazu zählen Tools wie die „Elektronische Kreditakte“ oder die „digitale Antragsstrecke“ ebenso wie neue Technologien (Beispiel: „Robotic Process Automation“) oder die sogenannte „XS2A“-Schnittstelle für den automatisierten Zugriff auf Kundenkonten bei anderen Banken. Somit hätte eine Bank bei 100 Prozent alle möglichen Hebel vollständig umgesetzt. Dies ist jedoch selten sinnvoll. Nicht jeder Hebel passt zu jedem Geschäftsmodell oder ist im Einzelfall ökonomisch vorteilhaft. Daher ist der Zielkorridor niedriger.

Um festzustellen, auf welche Industrialisierungsfelder sich die Branche besonders fokussiert, ordnete PwC die rund 80 Hebel überdies vier Kategorien zu. Nämlich 1. Automatisierung (z.B. Robotics oder künstliche Intelligenz), 2. Organisation (z.B. Arbeitsteilung oder Spezialisierung), 3. Standardisierung (z.B. Prozess-Straßen) und 4. Steuerung & Controlling (z.B. Auslastung-Optimierung). Dabei kam heraus: In den beiden zurückliegenden Jahren haben sich die Banken in der DACH-Region vor allem auf die „Standardisierung“ konzentriert (84 Prozent Retail, 71 Prozent Firmenkunden). Dagegen steht in den kommenden beiden Jahren das Thema „Automatisierung“ im Fokus (96 Prozent Retail, 89 Prozent Firmenkunden), gefolgt von Steuerung & Controlling (80 Prozent Retail, 71 Prozent Firmenkunden).

„Das Zeitalter der Kreditmanufakturen ist definitiv vorbei“

„Die vielleicht wichtigste Erkenntnis unserer Studie ist, dass es im Kreditgeschäft nicht nur um Digitalisierung geht – sondern dass die Banken die Herausforderungen, die vor ihnen liegen, viel umfassender angehen müssen“, sagt PwC-Experte Rederer. „Die industrielle Logik, wie wir sie zum Beispiel aus der Automobilindustrie kennen, erfasst momentan auch das Kreditgewerbe. Leider gibt es hierzulande zu viele Banken, die auf diese Entwicklung unzureichend eingestellt sind – und hoffen, sie könnten das Kreditgeschäft insbesondere im Firmenkundengeschäft immer noch betreiben wie eine Manufaktur.“ Dass es sich dabei um einen Irrglauben handelt ist Rederer überzeugt: „Wenn wir uns die Vorreiter unter den untersuchten Instituten anschauen, dann sehen wir dort nicht mehr viel Handarbeit. Stattdessen schalten die ersten Banken voll-digitale Baufinanzierungen live, agile IT-Strukturen ersetzen die Legacy-IT und das Thema Auslagerung gewinnt wieder an Fahrt, auch in Richtung Fintechs.“ Das bedeute nicht, dass jede Bank nach einem maximalen Industrialisierungsgrad streben muss. Aber, so Rederer: „Noch sind die Abstände aufholbar, da auch führende Institute oft noch keine optimale Kombination der Hebel gefunden haben. Schon bald wird der Abstand aber zu groß sein. Insbesondere, was die Erfahrung in der Industrialisierung ganzer Organisationen angeht,“ so Rederer.

(ots)

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